Koalitionsvertrag ‚Auf Kurs 2030‘ – kein Aufbruch für die Verkehrswende - ADFC Hamm

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Hamm e. V.

Koalitonsvertrag 2025

Koalitionsvertrag 2025

Koalitionsvertrag ‚Auf Kurs 2030‘ – kein Aufbruch für die Verkehrswende

Presseerklärung des ADFC Hamm zum Koalitionsvertrag der Stadt Hamm von SPD, B90/Die Grünen, Volt und FDP

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Hamm begrüßt, dass die neue Ampel-Koalition aus SPD, Grünen, Volt und FDP den eingeschlagenen Weg im Radverkehr grundsätzlich fortsetzen will. Auch das Ziel, bis 2035 klimaneutral zu werden, bleibt bestehen. Dennoch zeigt die Analyse: Von einem echten Aufbruch für eine Verkehrswende kann keine Rede sein. Stattdessen setzt man auf das individuelle Verhalten der Verkehrsteilnehmer:innen durch bessere Angebote und postuliert die Gleichberechtigung von „Radfahrer:innen, Fußgänger:innen und dem ÖPNV [...] neben dem Autoverkehr“. Die im Masterplan Mobilität formulierten ambitionierten Ziele, die Anteile am Verkehr gleichmäßig auf Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV und motorisierten Individualverkehr aufzuteilen, werden durch die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen jedoch nicht erreicht.

Wer den Umstieg auf das Fahrrad wirklich ernst meint, muss für sichere, komfortable und durchgängige Radwegenetze sorgen und den Radverkehr auf den Radhauptrouten priorisieren. Davon ist die Planung der Stadt Hamm noch weit entfernt.

Die Koalition will die Mittel für den Radverkehr um eine Million Euro erhöhen und zusätzliche Planungsstellen schaffen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Eine leitende Nahmobilitätsbeauftragte oder ein -beauftragter, der die verschiedenen Fachbereiche koordiniert, ist aber weiterhin nicht vorgesehen. „Ohne eine starke fachliche Koordination bleibt die Umsetzung des Mobilitätsplans Stückwerk“, so der ADFC.

Gerechte Flächenverteilung

Die Koalition kündigt an, bei Straßenneu- und -umbauten die Verkehrsflächen gerechter zu verteilen, und nennt die Goethestraße als Beispiel. Tatsächlich wurden dort jedoch lediglich die geltenden Normen umgesetzt. Echte geschützte Radinfrastruktur, wie bauliche Radwege oder Protected Bike Lanes, wurde nicht realisiert. Im Koalitionsvertrag wird die Schaffung von geschützten Fahrradstreifen sowie Pop-up-Radwegen angekündigt. Doch schon der Koalitionsvertrag von 2020 versprach Protected Bike Lanes, also Radwege auf der Fahrbahn, die durch bauliche Elemente wie Poller, Blumenkübel, Betonelemente oder flexible Pfosten klar vom Autoverkehr getrennt werden. Umgesetzt wurde bisher keiner, auch nicht auf der Goethestraße. Nun taucht das Thema erneut im Vertrag auf. „Wir hoffen, dass die Ankündigung diesmal Realität wird”, so der ADFC.

Radhauptrouten

Die Radhauptrouten sollen weiter ausgebaut werden, es fehlen jedoch konkrete Zielvorgaben. Aus Sicht des ADFC ist besonders dringlich, die Engstelle an der Bahnunterführung Wilhelmstraße zu beseitigen und die Wilhelmstraße bis zur Langen Straße auszubauen, da beide Abschnitte zentrale Bestandteile der Hauptrouten nach Herringen und Pelkum sind.

Enttäuschend ist, dass der Radschnellweg Ruhr (RS1) im neuen Vertrag nicht mehr erwähnt wird, obwohl er für die regionale Anbindung Hamms von großer Bedeutung wäre.

Sanierung straßenbegleitender Radwege

Die Stadt Hamm hat zahlreiche straßenbegleitende Radwege, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Bereits 2014 wurde für rund 50 Prozent dieser Wege die Benutzungspflicht aufgehoben. Doch selbst dort, wo sie aus Sicherheitsgründen weiterhin gilt, ist die Nutzung oft unzumutbar: Die Wege sind zu schmal und verlaufen ohne ausreichenden Sicherheitsabstand zu parkenden Autos – die Gefahr schwerer Dooring-Unfälle besteht nahezu ständig.

Ein Sanierungskonzept für diese Radwege fehlt im Koalitionsvertrag vollständig. Solange nur bei Straßenneu- und -umbauten geprüft wird, ob der Verkehrsraum gerechter verteilt werden kann, wird in Hamm auf Jahrzehnte kein sicheres und durchgängiges Radwegenetz entstehen.
„Die Stadt braucht endlich ein systematisches Sanierungsprogramm für bestehende Radwege – mit klaren Prioritäten, messbaren Standards und jährlichen Zielen“, fordert der ADFC.

Verkehrswende ohne Lenkungswirkung 

Die neue Koalition setzt auf Anreize statt Einschränkungen. Eine Erhöhung der seit 2010 unveränderten Parkgebühren und der Gebühren für das Bewohnerparken ist nicht vorgesehen. Seit 2020 ist die bundesweit geltende Gebühren-Obergrenze von 30,70 Euro pro Jahr für Bewohnerparkausweise entfallen. Die Stadt Hamm verzichtet auf diese Möglichkeiten.  Stattdessen sollen Parkhäuser und Quartiersgaragen den Flächenverbrauch mindern. „Das löst das Grundproblem nicht“, erklärt der ADFC. „In Hamm werden jedes Jahr rund 1.000 neue Fahrzeuge zugelassen – das entspricht fast zwei Fußballfeldern zusätzlichem Platzbedarf. Wenn Straßenraum knapp wird, braucht es auch Maßnahmen, die den Flächenverbrauch durch parkende Autos begrenzen. Wenn man die Gleichberechtigung der Verkehrsarten ernst nimmt, braucht es auch eine gerechtere Verteilung des öffentlichen Raums.“

Viele Einzelmaßnahmen, aber kein Gesamtkonzept

Der ADFC bewertet es positiv, dass bewährte Projekte wie das Aktionsprogramm Radverkehr, die Sanierung von Radwegen, Fahrradstraßen, neue Abstellanlagen, beleuchtete Wege und fahrradfreundliche Mülleimer fortgeführt werden sollen. Allerdings fehlt ein verbindlicher Zeit- und Finanzrahmen. Mit den vorgesehenen Mitteln kann nur ein Bruchteil der 110 Kilometer Radhauptrouten in den nächsten fünf Jahren saniert oder neu gebaut werden. 

Der ADFC zieht ein gemischtes Fazit. „Ja, die neue Koalition steht zum Radverkehr. Aber ohne mutige Entscheidungen für ein sicheres, komfortables und zusammenhängendes Radwegenetz und einer gerechteren Aufteilung des öffentlichen Raums zugunsten von Fuß- und Radverkehr wird die notwendige Verkehrswende in Hamm nicht gelingen.“


https://hamm.adfc.de/pressemitteilung/koalitionsvertrag-auf-kurs-2030-kein-aufbruch-fuer-die-verkehrswende

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